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Traumata, Reaktivierung & Retraumatisierung: Ein komplexes, vielschichtiges Thema.

Foto Traumata, Reaktivierung & Retraumatisierung: Ein komplexes, vielschichtiges Thema.

Trauma. Ein Begriff, den wir häufig lesen, hören und möglicherweise auch selbst verwenden. Aber wo hat das Wort eigentlich seinen Ursprung? Was bedeuten Trauma-Reaktivierung und Retraumatisierung? Welche Ereignisse sind traumatisch und wann liegt überhaupt ein Trauma vor? Im aktuellen Blog stellen wir uns diesen komplexen Fragen.

Trauma – Was ist das überhaupt?

Das Wort „Trauma“ stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet „Wunde“. Eine „Traumatisierung“ bezeichnet ein nicht bewältigtes Trauma und damit eine nicht geheilte Wunde. Eine solche körperliche und/oder psychische Wunde ist die Folge eines traumatisierenden Ereignisses, welches durch äußere Einflüsse, wie Umweltkatastrophen, oder andere Menschen verursacht wird. Tritt ein solches Ereignis auf, welches uns unvorbereitet trifft, dem wir nicht entfliehen können und dem wir damit hilf- und schutzlos ausgeliefert sind, kommt es zu einer Zerstörung unseres Welt- und Selbstbildes. Bestimmte Werte, Vorstellungen und Ansichten werden durch das Ereignis zerstört und hinterlassen tiefe Spuren in uns. Sexueller Missbrauch, Gewalterfahrungen, Armut. Krieg, Lawinen, Verkehrsunfälle. Es gibt unzählige Beispiele für Ereignisse, die zu einem Trauma führen können. Letztendlich ist das Erleben bestimmter Situationen auch stark individuell, weshalb dasselbe Ereignis nicht bei allen Menschen eine Traumatisierung auslöst.

Reaktivierung – Wenn ein Trauma wieder auflebt.

Bei traumatisierten Menschen kann es zu einer sogenannten Reaktivierung kommen. Das bedeutet, dass das Auftreten bestimmter Schlüsselreize, wie Gerüche, die Begegnung mit bestimmten Menschen oder Situationen, ein neuerliches Erleben des traumatischen Erlebnisses bewirkt. So tritt etwa bei Menschen, die den Krieg miterlebt haben, oftmals im höheren Lebensalter eine Trauma-Reaktivierung auf. Mögliche Trigger können mehr Zeit und Ruhe aufgrund der Pensionierung, Reflexion und Erinnerungen an das eigene Leben sowie die steigende Abhängigkeit von anderen Menschen durch Pflegebedürftigkeit sein. Umso wichtiger ist, traumatische Lebensereignisse nicht zu verdrängen und diese rechtzeitig zu verarbeiten. Nur so kann einer Trauma-Reaktivierung entgegengewirkt werden.

Retraumatisierung – Wenn ein neues Trauma auf ein altes Trauma trifft.

Trauma-Reaktivierung wird häufig mit Retraumatisierung gleichgestellt und/oder verwechselt. Allerdings handelt es sich um zwei unterschiedliche Phänomene und Prozesse. Wie oben beschrieben, wird bei der Reaktivierung ein vergangenes traumatisches Ereignis wieder erlebt. Bei der Retraumatisierung trifft hingegen eine neue traumatische Situation auf ein bereits vergangenes Trauma. Wenn beispielsweise jemand im Krieg ein Trauma erlitten hat, weil er/sie von seiner Familie getrennt wurde und nun durch die COVID-bedingte Isolation im Pflegeheim, die keinen persönlichen Kontakt zu Angehörigen zugelassen hat, wiederum ein Trauma entsteht, kann von einer Retraumatisierung gesprochen werden.

Traumatische Erlebnisse – Wahrnehmen und aufarbeiten.

Auch, wenn die Offenheit gegenüber Therapien, psychologischer Beratung und der Befassung mit der eigenen Psyche gestiegen ist, trauen sich noch immer viele Menschen nicht über ihre Traumata zu sprechen und/oder Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von Scharm, über Angst bis hin zu fehlendem Bewusstsein, dass ein Trauma vorliegt. Um glücklich zu leben, eine Reaktivierung zu verhindern und einer Retraumatisierung vorzubeugen, gibt es allerdings nur einen Weg. Nämlich traumatische Erlebnisse aufzuarbeiten. Da dies ein längerfristiger Prozess ist, der Gefühle aufwühlt und schmerzhafte Erinnerungen aufleben lässt, braucht es professionelle Begleitung durch neutrale und vor allem gut ausgebildete Expert:innen. Diplomierte Lebens- und Sozialberater:innensind eine gute Anlaufstelle, wenn traumatische Erlebnisse unser Leben nachhaltig beeinflussen. Zwar kann die Vergangenheit nicht verändert und Geschehenes nicht ungeschehen gemacht werden, aber wir können lernen mit Traumata umzugehen und so den Grundstein für eine glückliche Zukunft legen. Durch die systematische Bewältigung eines Traumas entsteht Resilienz, also eine psychische Widerstandskraft und damit die Fähigkeit schwierige aktuelle oder vergangene Lebenssituationen zu meistern. Werden mehrere schwierige Ereignisse bewältigt entsteht die sogenannte sekundäre Resilienz.

Trauma – Eine Frage des individuellen Erlebens.

Was ist ein Trauma? Wann ist ein Ereignis traumatisch? Dazu gibt es viele Meinungen und die Antworten auf diese Fragen sind vor allem gesellschaftlich geprägt. Kriegsveteranen, Opfer von Vergewaltigungen, Überlebende eines Tsunami. Hier steht die Traumatisierung außer Frage und wird als solche anerkannt. Aber die Frage, wann eine Traumatisierung und damit eine andauernde seelische Wunde vorliegt, ist vor allem eines: Eine individuelle Frage. Konkret die Frage, wie stark uns vergangene Situationen und Umstände in unserem Leben im Hier und Jetzt beeinflussen. Nicht nur Krieg, Vergewaltigung oder Tsunami verursachen Traumata. Nachhaltige Wunden entstehen häufig auch im Alltag. Etwa, wenn der Vater die Familie verlässt, durch verbale Gewalt, emotionale Verwahrlosung oder langfristige Armut. Wann ein Trauma vorliegt entscheiden wir selbst, sprich Klient:innen und nicht Expert:innen. Vor allem bei weniger plakativen traumatischen Erlebnissen haben Menschen oft Scheue und Scharm Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Problem ist allerdings, dass sich nicht aufgearbeitete Traumata oftmals auf andere Lebensbereiche, wie Familie und Partnerschaft, auswirken. Häufig werden diese in harmlosen Alltagssituationen durch Trigger reaktiviert und schränken uns damit massiv ein.

Trauma – Anzeichen und Äußerung.

So vielfältig wie die Arten von Traumata und die Auslöser für Trauma-Reaktivierung sind auch deren Anzeichen. Manche Menschen fühlen sich bei einer Reaktivierung wie betäubt. Aufmerksamkeit, Bewusstsein und Konzentrationsfähigkeit sind stark eingeschränkt, Körperfunktionen können erschlaffen oder erstarren. Viele haben außerdem das Gefühl eine Situation nicht selbst, sondern von außen zu erleben und erfahren starke Gefühlsschwankungen, die beispielsweise Wut, Machtlosigkeit oder Trauer beinhalten. Häufig äußern sich Traumata auch in Form von körperlichen Symptomen, wie Herzrasen oder Übelkeit. Während sich manche Menschen nicht bewusst an traumatische Ereignisse erinnern können, erleben andere diese in Form von sogenannten Flashbacks intensiv immer wieder. Die Folgen sind vielfältig und reichen von Albträumen, über Suchtprobleme bis hin zu Suizidgedanken.

Wunden – Sie gehören behandelt.

Wie eingangs erklärt bezeichnet ein Trauma eine physische und/oder psychische Wunde verursacht durch ein Ereignis, welchem wir unvorbereitet und ohnmächtig ausgeliefert sind. Wunden gehören behandelt, das steht außer Frage. Nur, wer sich dessen bewusst wird, wird erkennen, dass wir uns mit den richtigen Methoden und Werkzeugen selbst schützen und helfen können.


Silvia Podlisca

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